The Walking Dead Season 2 ist eine direkte Fortsetzung der ersten Staffel und sollte dementsprechend ohne Vorwissen nicht gespielt werden
Bevor ich auf die Story oder das Gameplay eingehe, sollte ich vermutlich erstmal eine wichtige Frage beantworten: Spielen die Entscheidungen diesmal tatsächlich eine Rolle oder sind es weiterhin nur Illusionen die auf das selbe Ergebnis hinauslaufen?
Nunja, ich habe das Spiel vor etwa einer Woche beendet und wollte es aufgrund unterschiedlicher Enden nochmal spielen. Dummerweise ist das aber auch schon alles was das Spiel zu bieten hat. Ihr könnt zwar hier und da entscheiden wann bestimmte Charaktere sterben, aber selbst das hat kaum einen Einfluss. Das beste Beispiel dafür ist ein Charakter der in zwei aufeinanderfolgenden Episoden sterben könnte.
- Stirbt er am Ende der einen Episode kommt er natürlich in der anderen nicht mehr vor.
- Stirbt er allerdings am Ende der darauffolgenden Episode spielt es trotzdem keine Rolle. Er wird nämlich aus diversen Gründen aus der Gruppe entfernt und kann die Story somit nicht mehr beeinflussen bevor er stirbt.
Wer die erste Staffel für ihre scheinheiligen Wahlmöglichkeiten gehasst hat, wird also auch mit der zweiten Staffel nicht zufrieden sein. Es gibt zwar fünf unterschiedliche Endings, aber es würde mich nicht wundern wenn diese in der ersten Episode der nächsten Staffel wieder zusammengeführt werden.
Es ist wirklich schade, dass die Entwickler scheinbar kein Interesse daran haben das meiste aus den Entscheidungen herauszuholen. Klar, es fühlte sich erneut so an als würde ich die Story steuern, aber mein zweiter Durchgang hat mir das Gegenteil bewiesen. Selbst Ereignisse die so wirkten als könnte ich sie beeinflussen sind schlussendlich genau wie bei meinem ersten Durchgang abgelaufen. Deswegen habe ich meinen zweiten Durchgang auch relativ schnell abgebrochen. Das wäre vermutlich der einzige Grund die Staffel episodenweise zu spielen statt auf den endgültigen Release zu warten.
Ich habe in meinem Review zur ersten Staffel zwar gesagt, dass ich die Illusion einer Wahl keiner Wahl vorziehe, aber das Tellale genau das selbe nochmal in durchzieht finde ich durchaus frustrierend. Von daher würde ich mir wünschen, dass sie die Story mit der dritten Staffel abschließen, dafür aber mehr aus dem Konzept rausholen. Das ist natürlich alles andere als einfach, würde sich für ein fulminantes Finale aber durchaus lohnen.
So, das sollte genug Text gewesen sein um euch die Chance zur Flucht zu geben. Wenn ihr jetzt weiterlest und die erste Staffel nicht kennt könnt ihr mich für Spoiler nicht verantwortlich machen!
Nachdem Clementine am Ende der ersten Staffel gezwungen war Lee zu töten, hat sie sich Omid und Christa, den letzten Mitgliedern ihrer Gruppe, angeschlossen. Letztere ist mittlerweile hochschwanger, von daher muss einige Zeit seit den Ereignissen in Savannah vergangen sein. Am Anfang der ersten Episode wollen sie nur eine kurze Pause einlegen, was Clementine nutzt um sich zu waschen, aber das Schicksal schlägt zu wenn sie es am wenigstens erwartet. Was genau passiert will ich hier nicht verraten, aber schlussendlich ist sie auf sich allein gestellt.
Da sie zu diesem Zeitpunkt aber immer noch ein junges Mädchen ist, kann sie natürlich nicht alleine überleben. Sie ist zwar mittlerweile erfahren genug einzelne Zombies auzuschalten, aber mit ganzen Horden oder mit Banditen kann sie es trotzdem nicht aufnehmen. Nach einem kurzen Zwischenfall stößt sie aber auf eine neue Gruppe die in den Wäldern lebt. Diese wollen ihr allerdings nicht helfen obwohl sie schwer verwundet ist, immerhin könnte sie gebissen worden sein. Das mag zwar fies klingen, aber die Menschen haben mittlerweile begriffen, dass auch Kinder eine Gefahr darstellen können. Es ist allerdings etwas schwachsinnig, dass der anwesenden Doktor daran scheitert die Wunde zu identifizieren. Diese stammt nämlich offensichtlich nicht von einem Zombie.
Daraufhin muss Clementine also zur Tat schreiten um sich selbst zu helfen, auch wenn sie dadurch den Hass mancher Menschen auf sich zieht. Das ist schlussendlich auch eines der wichtigsten Themen des Spiels. Lee mag Clementine zwar abgehärtet haben, aber wenn sie in dieser Welt überleben will, dann kann sie sich nicht nur auf andere Menschen verlassen sondern muss auch alleine klarkommen. Dabei sollte sie allerdings nicht zum Einzelgänger werden, immerhin kann eine Gruppe sich auch gegenseitig den Rücken decken.
Hier stößt die zweite Staffel allerdings auf ein Problem. Die Mitglieder von Clementines neuer Gruppe haben zwar alle ihre Stärken und Schwächen, aber sie machen im Verlauf der Handlung keine wirkliche Entwicklung durch. Da gibt es zum Beispiel Sarah, ein behütetes Mädchen das älter ist als Clementine aber ohne ihren Vater nichts gebacken kriegt. Außerdem wäre da Nick, ein Kerl der andauernd Mist baut und Clementine bei ihrem ersten Zusammentreffen beinahe erschießt. Er beteuert zwar andauernd wie leid es ihm tut, aber trotzdem ändert sich sein Verhalten nicht.
Wirklich interessant fand ich eigentlich nur Jane, eine Einzelgängerin die versucht Clementine wichtige Lektionen zu vermitteln damit sie in dieser zombieverseuchten Welt überleben kann. Allerdings gibt es eine Stelle an der sie jegliche Sympathie verspielt, aber darauf komme ich später nochmal zu sprechen.
Zwischenzeitlich stößt man auch auf einen alten Bekannten, aber wer es ist will ich nicht vorweg nehmen. Dessen Anwesenheit ist auf jeden Fall ganz nett, auch wenn er sich, wie die meisten Charaktere, nicht wirklich entscheiden kann ob er Clementine nun mag oder hasst. An dieser Stelle wird sie auch vor die Wahl gestellt ob sie weiterziehen oder bleiben will, aber wie so oft werden ihre Pläne von unvorhergesehenen Ereignissen zerschmettert
Was darauf folgt hätte eigentlich viel Potenzial gehabt, immerhin muss sich die Gruppe in einem fremden Camp zurecht finden das mit harter Hand geführt wird, aber die Storyline wird viel zu schnell abgehandelt um ihre volle Wirkung entfalten zu können. Schlussendlich unternimmt man mit Clementine nur ein paar Ausflüge um die Gruppe aus der Scheiße zu reiten und dann wars das auch schon. Sie muss als Protagonistin natürlich was zu tun bekommen, aber der Rest der Gruppe scheint sich viel zu sehr auf sie zu verlassen.
Allerdings habe ich mit der entsprechenden Episode noch ein ganz anderes Problem: Sie ist das Bindeglied zu 400 Days und entlarvt den DLC als nutzlos. Die Charaktere deren Stories dort angeschnitten wurden sind nämlich nichts weiter als unwichtige NPCs von denen einer sogar eine 180°-Wendung vollführt hat ohne das je erklärt wird wieso. Für sowas nimmt sich das Spiel auch keine Zeit, dabei hätte diese Storyline mindestens anderthalb statt nur einer Episode füllen können. Nur ein einziger Charakter des DLCs bleibt der Gruppe auf längere Zeit erhalten, aber interessant wird er dadurch noch lange nicht.
Seltsamerweise wirkt das Camp so gut wie menschenleer obwohl 400 Days nur einer von vielen Versuchen war Überlebende in Sicherheit zu bringen. Die Soundkulisse lässt zwar auf größere Menschenmengen schließen, aber mehr als eine handvoll namenloser NPCs sind nicht zu sehen. Ich bevorzuge es zwar wenn Zombie-Stories sich hauptsächlich mit Zombies befassen, aber wenn die Gruppe schonmal in einer größeren Ansiedlung ist, hätten sie auch ruhig mehr davon zu Gesicht bekommen können.
Bevor ich jetzt zum wichtigsten Aspekt, dem Ende, komme, sollte ich sicherlich noch das Gameplay erwähnen. Wobei es da nicht viel zu sagen gibt. An sich ist es identisch mit dem Vorgänger. Man läuft mit der Tastatur, interagiert mit der Maus, vollführt relativ einfache Quicktime-Events, klickt ab und zu hektisch um sich und muss manchmal auch Zombies erschießen. Ich bilde mir allerdings ein, dass es sich einen Tick besser spielt als die erste Staffel. Keine Ahnung ob dem wirklich so ist, aber das ist ja auch egal.
Ich hätte mir aber auch hier einen Schritt nach vorne gewünscht. Einfach ein bisschen mehr Abwechslung, vielleicht ein paar forderndere Quicktime-Events. Bei Heavy Rain haben diese einiges zur Atmosphäre beigetragen, aber hier hämmert man die meiste Zeit nur auf eine Taste und drückt am Ende noch eine zweite.
Das ist zwar nicht schlimm, aber die meisten Spieler hätten sich über abwechslungsreicheres Gameplay sicher nicht beschwert.
Jetzt wird es aber langsam Zeit zum Schluss zu kommen. Der Großteil der nächsten Sektion beinhaltet allerdings nur noch Spoiler. Anders kann ich über diesen Abschnitt der Story nicht reden.
Das Ende
Bevor ich euch zuspoiler muss ich noch eins loswerden: Das Ende war fürchterlich! Also im guten Sinne. Es hatte zwar nicht die emotionale Wirkung wie das Ende der ersten Staffel, aber ich wollte wirklich nicht wahr haben was gerade passiert. Wie bereits erwähnt ist das auch die einzige Stelle an der eure Entscheidungen tatsächlich eine Rolle spielen, was in drei unterschiedlichen Endings sowie zwei kleineren Variationen resultieren kann. Ob die Entwickler darauf aufbauen oder sie am Anfang der dritten Staffel konvergieren lassen bleibt abzuwarten. Letzteres wäre aber die billigste Methode und würde erneut beweisen, dass sie kein Interesse daran haben eine offenere Story zu erzählen.
Wie bereits erwähnt mochte ich Jane, aber was sie am Ende getan hat kann ich ihr nicht verzeihen. Ja, Kenny war labil und zu allem fähig, wie könnte es auch anders sein? Seine Frau ist tot, sein Sohn ebenfalls und selbst seine neue Freundin ist krepiert. Außerdem hat er höchstwahrscheinlich ein Auge verloren. Es ist ein Wunder, dass er nicht Selbstmord begangen hat.
Das ist aber noch lange kein Grund ihm das einzige zu nehmen, was ihm noch etwas bedeutet. Dementsprechend hat Jane es selbst zu verschulden, dass Kenny sie eventuell umbringt. Das er das tut ist natürlich nicht schön, aber seine Endings zeigen zumindest, dass sein Herz am rechten Fleck sitzt. Er bräuchte nur etwas Zeit um sich von all dem Leid zu erholen.
Ich habe ihn zwar erschossen, aber auch nur weil es zu diesem Zeitpunkt wie die beste Option wirkte. Er ermutigt Clementine ja sogar dazu. Als die Wahrheit enthüllt wurde konnte ich Jane aber nicht verzeihen. Sie mag gute Absichten gehabt haben, aber das entschuldigt nicht was sie Kenny angetan hat. Dementsprechend bin ich allein losgezogen, auch wenn das vermutlich wie Suizid wirkt. Ich vertraue aber darauf, dass Clementine zumindest eine zeitlang zurecht kommt. Ob sie Alvin Jr. versorgen kann ist eine andere Sache.
Wer die erste Season von The Walking Dead mochte, wird die zweite sicherlich mögen. Allerdings fand ich sowohl die Charaktere als auch die Story im Vorgänger besser. In der zweiten Staffel wird einfach zuviel Potenzial verschenkt, vor allem in der dritten Episode. Das es fünf Endings gibt ist zwar ganz nett, aber solange ich keine dritte Staffel mit drastisch unterschiedlichen Ereignissen sehe, bleibe ich skeptisch was deren Einfluss betrifft.
Abschließende Bewertung
The Walking Dead Season 2 setzt die Story der ersten Staffel gut fort, allerdings finde ich sowohl die Charaktere als auch die Story etwas schwächer.
Positive Aspekte von The Walking Dead Season 2
- gute Comic-Grafik
- drei komplett unterschiedliche Endings sowie zwei Variationen
- gute Fortsetzung der Story die sich dank Clementine in der Hauptrolle auch anders anfühlt
- das Gameplay ist zwar nahezu identisch mit dem Vorgänger, sorgt aber weiterhin für gute Unterhaltung
Negative Aspekte von The Walking Dead Season 2
- abgesehen von Clementine entwickeln sich die Charaktere nicht wirklich
- die Story der dritten Episode wirkt unnötig gehetzt, wodurch sie nicht ihre volle Wirkung entfalten kann
- abgesehen von den Endings sind die meisten Entscheidungen weiterhin nichts weiter als eine Illusion