Pillars of Eternity ist ein isometrisches Rollenspiel, welches sich an Klassikern wie Baldur's Gate und Icewind Dale orientiert
Übersetzt heißt das soviel wie: es sich spielt sich nahezu identisch und könnte dementsprechend auch eine moderne Erweiterung der Infinity Engine Spiele sein. Die Welt mag eine andere sein, aber am grundlegenden Konzept hat sich so gut wie nichts geändert. So wurden selbst viele Zauber von den Effekten her übernommen. Ebenso ist es nötig zu rasten um die begrenzte Anzahl an Zaubern wiederherzustellen.
Das ist je nach Schwierigkeitsgrad zwar auf eine bestimmte Anzahl beschränkt (danach müssen neue Vorräte besorgt werden), aber wirklich störend war das nur in den ersten Ebenen der Endlosen Pfade, einem optionalen Superdungeon das aber mehr als genug Abkürzungen bietet um nicht jedes Mal den ganzen Weg zu Fuß gehen zu müssen.
Hätte man sich trotzdem sparen können, da es nur unnötige Laufwege heraufbeschwört. Dafür fand ich das Zauberlimit besser gelöst. Während man in der Infinity-Engine die Menge eines jedes Zaubers festlegen musste, so hat hier jede Stufe ein festes Limit, welches gegen Ende für niedrigere Stufen sogar auf "Pro Kampf" anstatt "Pro Rast" geändert wird.
Ein weiterer positiver Aspekt ist das Inventar. Dieses wirkt auf den ersten Blick zwar geradezu winzig, aber neben dem der Charaktere gibt es auch noch ein großes Extra-Inventar das man mit tausenden Gegenständen nur so zumüllen kann. Dadurch hatte ich ab dem zweiten Kapitel auch so gut wie keine Geldprobleme mehr. Es gibt einfach viel zu wenig, dass es sich zu kaufen lohnen würde. Und manche Gegenstände habe ich so gut wie nie gefunden. Gürtel und Stiefel zum Beispiel, welche manche Charaktere erst im letzten Akt erhalten haben.
Andere nützliche Gegenstände, wie Tränke oder Schriftrollen, können dafür jederzeit im Inventar zusammengebastelt werden. Solange die nötigen Materialien vorhanden sind, ist das gar kein Problem. Ebenso können Waffen und manche Ausrüstungsgegenstände verzaubert werden. So ist man nie gezwungen erstmal irgendwo eine Schmiede oder dergleichen aufzusuchen.
Wäre auch recht nervig, da die Ladezeiten selbst nach Patch 2.1 immer noch einen Ticken zu lang sind. Auf größeren Maps stört das zwar weniger, aber wenn man mehrere Häuser besuchen will die so gut wie nichts zu bieten haben (was bei einigen Quests durchaus der Fall ist), dann kann das schon an den Nerven zehren.
Konnte das Kampfsystem in der ursprünglichen Fassung vermutlich ebenfalls, aber seit Patch 2.0 haben die Gruppenmitglieder endlich eine künstliche Intelligenz! Diese ist zwar sehr rudimentär, funktioniert größtenteils aber recht gut. Zusätzliche Optionen hätten aber wirklich nicht geschadet, zumal ein Aspekt des Kampfsystem mich echt genervt hat: das Ausdauer-Lebenspunkte-System.
Anstatt einfach nur Lebenspunkte zu besitzen, sind diese mit Ausdauer gekoppelt. Dem einzigen Wert, der sich auch tatsächlich heilen lässt. Sinkt er auf 0 ist der Charakter KO und kann selbst wenn er noch HP besitzt nicht mehr am Kampf teilnehmen. Außer natürlich er wird "wiederbelebt". Das ist meiner Meinung nach eine total schwachsinnige Verkomplizierung deren einzig positiver Aspekt das Vereiteln plötzlicher Tode sein dürfte.
Man kann dummerweise auch nicht viel an seinen Statuswerten schrauben, außer natürlich durch bessere Ausrüstung. Im Gegensatz zur Infinity Engine werden beim Level-UP nämlich keine Statuswerte sondern nur Schleichen, Akrobatik, Wissen, Überleben und Mechanik gesteigert. Wirkt teilweise aber eher nutzlos. So kann zwar jeder einen auf Dieb machen, aber Überleben oder Akrobatik habe ich nur selten gebraucht. Wissen ist auch nicht unbedingt das Nützlichste. Klar, dadurch lassen sich Schriftrollen benutzen und bestimmte Dialogoptionen öffnen ... aber ich hätte viel lieber meine Statuswerte verbessert!
Aber hey, dafür kann man in jedem Shop die Charaktere zurücksetzen und von vorne leveln! Mag anfangs teuer wirken, ist später aber ein Witz. Dadurch habe ich mir gegen Ende dann doch noch einen richtigen Tank besorgt. Mein Hauptcharakter tat zwar so, war aufgrund seiner Cipher-Klasse (die ein paar coole Fähigkeiten zu bieten hat die quasi unbegrenz einsetzbar sind) aber auch sehr anfällig. Von Weitem wollte ich aber nicht kämpfen, auch wenn Schusswaffen glücklicherweise keine Munition verbrauchen.
Der Schwierigkeitsgrad ist auch ein bisschen unausgegoren. Anfangs hatte ich schonmal arge Probleme über die Runden zu kommen, der zweite Akt war größtenteils ein Witz, aber auf den Weg ins letzte Gebiet habe ich erstmal ordentlich auf die Fresse bekommen. Und den optionalen Superboss habe ich gar nicht geschafft. Selbst auf Höchstlevel (ohne Erweiterung) hat er mich innerhalb von Sekunden gegrillt.
Das Kampfsystem hat dummerweise auch eine Macke, die es in den Spielen der Infinity Engine nicht gab: einige wirklich hilfreiche Zauber lassen sich erst im Kampf verwenden, darunter Spiegelbild oder Steinhaut. Dabei sollte sowas doch als Vorbereitung auf schwere Kämpfe dienen.
Mithilfe der IE-Mod lässt sich das ursprüngliche Verhalten aber implementieren. Ebenso kann man damit Friendly Fire ausschalten (welches ansonsten nur im äußeren Wirkungsbereich nicht vorhanden ist). Außerdem ermöglicht sie die Kickstarter-NPCs stumm zu stellen. Deren Namensschilder sind zwar golden hervorgehoben, haben mich aber trotzdem gestört, zumal ich ihre Geschichten (Visionen) alles andere als interessant fand.
Wie in Baldur's Gate 2, oder auch kürzlich Dragon Age: Inquisition, gibt es außerdem ein Hauptquarter das man übernehmen und sogar ausbauen kann. Hier wurde allerdings viel Potenzial verschwendet. Das meiste was man bauen kann ist vollkommen nutzlos, viel Geld gibt es ebenfalls nicht, und die automatisch ablaufenden Abenteuer haben mir auch nicht wirklich was gebracht, da ich die Gruppenmitglieder die ich dort postiert hatte nie wieder eingesammelt habe.
Ich kann sie dummerweise nicht mit denen aus dem ursprünglichen Baldur's Gate vergleichen (ist einfach viel zu lange her), aber insgesamt waren sie nur okay. Einen habe ich allerdings komplett ignoriert. Und Pelegrinas Geschichte fand ich in keinster Weise interessant. Aber hey, nach Spielen wie Mass Effect oder Dragon Age können vermutlich nur wenige Spiele mithalten. Zumal Pillars of Eternity auch keinerlei Romanzen zu bieten hat.
Ebenso wie es keine wirklich packende Story besitzt. Die Hintergrundgeschichte ist zwar interessant, immerhin haben die Menschen einen auf Erden wandelnden Gott niedergestreckt und werden seitdem von einer Seuche heimgesucht die dafür sorgt, dass Kinder ohne Seele geboren werden, aber der eigentliche Konflikt kommt nur selten zum Tragen.
Die meiste Zeit beschäftigt man sich mit irgendwelchen anderen Problemen — die durchaus mit der Seuche in Verbindung stehen können — und in seltenen Fällen trifft man dann auch mal den Antagonisten. Keine wirkliche erinnerungwürdige Person ... und dementsprechend habe ich den Namen auch schon wieder vergessen. Da hatten die Antagonisten in Baldur's Gate eine bessere Präsenz.
Schlussendlich würde ich Pillars of Eternity aber in etwa auf die selbe Stufe wie das erste Baldur's Gate stellen. Es macht einiges besser, manches schlechter, und verschafft schon mal einen guten Überblick über die Welt. Hoffentlich kann der zweite Teil da ordentlich was drauflegen. Dann hätte ich vermutlich sogar brennendes Interesse an einer Erweiterung, was ich von The White Marsh momentan nicht behaupten kann. Vielleicht wenn sie mal billiger ist.
Es gibt sicherlich noch soviel mehr was ich erzählen könnte. Zum Beispiel, dass man oft nach Fallen Ausschau halten sollte um diese für Erfahrung zu entschärfen. Oder dass es verschiedene Möglichkeiten gibt Quests zu lösen, sei es nun durch Kämpfe, Gespräche, oder Verrat. Oder dass Priester viel zu viele Zauber kriegen, es mehrere Endings gibt, Rasthäuser Bonis mit sich bringen, dass Haustiere als Deko hinter einem herrennen können ... aber ich habe eh schon viel zu viel geschrieben und kann mich sowieso nicht mit jedem Aspekt des Spiels befassen ohne es mehrfach durchzuspielen.
Eins sei aber noch gesagt: ich hätte mir eine bessere Präsentation gewünscht. Die Story wird nämlich nur per Ingame-Grafik und "Bilderbüchern" erzählt. Es gibt zwar Zwischensequenzen, aber diese zeigen so wichtige Szenen wie Lagerfeuer ... oder Kaminfeuer. Ein Intro oder gar ein Ending gibt es nicht. Stattdessen wird am Ende noch erzählt, was die jeweiligen Taten überall für Auswirkungen hatten. Ist zwar nett, aber zumindest eine Zwischensequenz wäre doch wohl drin gewesen. Baldur's Gate hatte doch auch welche!
Davon mal abgesehen kann ich Pillars of Eternity aber jedem Fan von isometrischen RPGs empfehlen. Ihr solltet nur nicht erwarten aus den Socken gehauen zu werden. Es wäre sicherlich mehr drin gewesen, aber solange der zweite Teil die Schwächen seines Vorgängers ausgleicht, kann ich einigermaßen darüber hinwegsehen.
Abschließende Bewertung
Wer die Infinity Engine RPGs mochte, der wird sich in Pillars of Eternity wie zu Hause fühlen. Es macht einiges besser, manches schlechter, und kann für etwa 40 Stunden Spielspaß sorgen. Die Story lässt zwar zu wünschen übrig, hat aber genug interessante Konzepte zu bieten.
Positive Aspekte von Pillars of Eternity
- 40+ Stunden Spielzeit
- das Inventar ist unbegrenzt und die Charaktere werden nie dadurch belastet
- Es gibt mehr als genug Klassen und Spielweisen um sich austoben zu können
- Es werden viele Quests geboten, die sich häufig auf unterschiedlichste Art und Weise Weise lösen lassen
- Schriftrollen, Tränke, Essen sowie Verzauberungen lassen sich allesamt über das Inventar herstellen
Negative Aspekte von Pillars of Eternity
- lange Ladezeiten, selbst für kleine Räume
- das Hauptquartier ist so gut wie nutzlos
- der Schwierigkeitsgrad schwankt zwischen den einzelnen Akten stark
- die Charaktere sind zwar ganz okay, aber in Erinnerung behalten werde ich sie vermutlich nicht
- das Ausdauer-Lebenspunkte-System ist eine unnötige Verkomplizierung des Kampfsystems
- die Story bietet zwar interessante Konzepte, kommt schlussendlich aber viel zu kurz