Für dieses Review habe ich einen Key von den Entwicklern erhalten!
Thimbleweed Park ist ein Point & Click-Adventure von Ron Gilbert und Garry Winnick, welche in Zeiten von Lucasfilm Games an solch klassischen Adventures wie Maniac Mansion, Zak McKraken und Monkey Island gearbeitet haben. Und eben diese Spiele haben sie als Inspiration herangezogen um mit Thimbleweed Park ein modernes, klassisches Adventure zu entwickeln. So kommt zum Beispiel das für SCUMM typische Verb-Interface zum Einsatz, wenngleich bestimmte Aktionen automatisch ausgeführt werden sobald man die Aktionstaste drückt. Dabei handelt es sich aber meistens um reden oder anschauen, von daher muss man das Interface durchaus verwenden um all die Rätsel zu lösen die in Thimbleweed Park auf einen warten.
Bei diesen haben die Entwickler sich vermutlich an Monkey Island 2 orientiert, gibt es doch sowohl einen Casual Modus als auch einen für hartgesottene Adventure Veteranen. Um mir den bestmöglichsten Eindruck vom Spiel zu verschaffen, habe ich natürlich letzteren gewählt, auch wenn das vermutlich einer der Gründe sein dürfte, warum ich ein paar Mal in die Lösung schauen musste. Ein anderer ist die schiere Masse an Protagonisten, wobei einer von ihnen an einen sehr begrenzten Radius gebunden ist während ein anderer so gut wie nutzlos wirkt.
Letzteres bezieht sich auf einen der Agenten mit denen man das Spiel beginnt. Diese sollen zwar gemeinsam einen Mordfall untersuchen, aber in den meisten Fällen macht es keinerlei Sinn zwischen ihnen zu wechseln. Vor allem wenn man sich irgendwann eine Karte aneignet und damit in Windeseile von einem Ort zum anderen reisen kann. Sie haben auch so gut wie überall die selben Dialogoptionen zu bieten, von daher hätte einer von ihnen auch ein NPC sein können. Mir fällt zwar gerade ein, dass es eventuell dazu dienen könnte sowohl männlichen als auch weiblichen Spielern einen Avatar anzubieten, aber dann hätten die Entwickler auch eine Charakterauswahl einbauen können.
Davon abgesehen funktioniert das System aber wunderbar und kommt auch für einige Rätsel zum Einsatz. Die Größe von Thimbleweed Park kann bei deren Lösung aber trotzdem ein Problem darstellen, zumal man überall irgendwelche Hinweise aufschnappen kann die später relevant sein könnten. So gibt es zum Beispiel ein Schild auf das (soweit ich mich erinnere) niemand in irgendeiner Art und Weise hinweist, welches aber essenziell ist um die Stadt überhaupt verlassen zu können. Von daher kann ich nur dazu raten sich ab und zu Notizen zu machen. Die Charaktere halten zwar fest was sie als nächstes erreichen wollen, wichtige Hinweise muss man sich aber selber merken. Das habe ich manchmal nicht getan, weswegen ich mich erst später wieder an irgendwas erinnert habe was ich eigentlich hätte tun können.
Die Rätsel sind größtenteils auch logisch aufgebaut, was bei echten klassischen Adventures eher eine Seltenheit war. An einer Stelle muss man allerdings ein Feuer anzünden obwohl es nirgendwo ein Feuerzeug oder Streichhölzer oder irgendwas in der Art gibt. Erst die Beschreibung eines bestimmten Gegenstands hat mir dann verraten was ich eigentlich tun soll. Und das war schon etwas absurd.
Ein größeres Problem ist allerdings die Interaktion zwischen den einzelnen Charakteren. Oder eher die nicht vorhandene Interaktion. So kann man zwar die restlichen Charaktere freischalten wenn man sie mit einem der Agenten verhört, sie entscheiden sich aber nie den Fall irgendwie gemeinsam zu untersuchen. Stattdessen arbeiten sie halt einfach aus dem Nichts zusammen und tauschen plötzlich Gegenstände miteinander aus. Das ist vor allem dann absurd wenn ein Geist plötzlich eine Nummer anrufen muss die er selber niemals sehen konnte. Und auch nicht davon wissen konnte, dass er sie überhaupt anrufen muss. Ebenso wird er bei einem Rätsel von einem der lebenden Charaktere unterstützt obwohl sie sich in keinster Weise absprechen konnten. In der Hinsicht hätten sich die Entwickler also etwas mehr Mühe geben können.
An der Stelle sollte ich vermutlich erwähnen, dass ihr von den Charakteren nicht zuviel erwarten solltet. Sie haben zwar allesamt eine Hintergrundgeschichte zu bieten, diese ist aber vor allem im Fall der beiden Agenten sehr minimalistisch gehalten. Der Clown Ransome, die Game Designerin Delores sowie der Geist Franklin haben wenigstens Flashbacks zu bieten die mehr über ihre Charaktere verraten.
Mit einer guten Story kann das Spiel ebenfalls nicht glänzen. So verbringt man zwar einige Zeit damit Indizien für den Mordfall zusammenzutragen, aber im Großen und Ganzen ist dieser geradezu nebensächlich. Das Spiel nimmt sich außerdem nur selten ernst, immerhin handelt es sich bei einem der Protagonisten um einen mürrischen Clown dessen Dialoge ständig zensiert werden müssen da er die ganze Zeit nur vor sich hinflucht.
Von daher stellt sich die Frage für wen das Spiel eigentlich gedacht ist. Und Adventure Veteranen wär vermutlich die passendste Antwort, gibt es doch viele Anspielungen die man nur dann verstehen kann wenn man Klassiker wie Monkey Island oder Maniac Mansion tatsächlich gespielt hat (Stichwort: Kettensäge!). Das Spiel hat zwar auch so einige witzige Situationen zu bieten, aber in Lachanfälle bin ich jetzt nicht ausgebrochen. Wer sich einfach nur durchrätseln möchte und nichts bahnbrechendes erwartet, könnte aber ebenfalls seinen Spaß dran haben. Im Grunde ist es schließlich immer noch ein klassisches Adventure bei dem das Gameplay im Vordergrund steht.
Von daher haben die Entwickler eigentlich genau das erreicht was sie erreichen wollten. Und trotz der klassischen Aufmachung haben sie dabei einige moderne Elemente mit einfließen lassen. Allen voran die gelungene englische Sprachausgabe, die mich eigentlich nur beim ersten Charakter tatsächlich gestört hat. Der Sprecher von Ransome liefert vermutlich die beste Performance ab, schafft er es doch wunderbar sich in seinen mürrischen Charakter hineinzuversetzen und diesem Leben einzuhauchen.
Grafisch kann sich das Spiel ebenfalls sehen lassen. Es gibt animiertes Wasser, Glühwürmchen, Vögel die durchs Bild fliegen, Gras das im Wind weht, eine Maus die vor sich hindöst und natürlich auch einige Charakter-Animationen, was bei Indie Games nicht gerade selbstverständlich ist. Thimbleweed Park ist also ein nettes Adventure das Fans des Genres durchaus gefallen könnte. Ein paar Aspekte hätten sicherlich noch besser sein können, aber die stellen jetzt auch keinen Beinbruch dar, wenngleich charakterübergreifende Rätsel die logisch keinen Sinn ergeben bei Adventures echt nicht vorkommen sollten. Hätte aber noch viel schlimmer sein können, wie Broken Age belegt.
Andere Aspekte die ich persönlich geändert hätte wären die Schnellreise-Funktion sowie die Renn-Animationen. Erstere ist zwar schneller als wenn man zu Fuß überall hinlaufen würde, aber man muss sich trotzdem anschauen wie der Charakter von einem Punkt der Karte zu anderem rennt. Und Renn-Animationen sind schlichtweg nicht vorhanden. Die Charaktere laufen bei Doppelklick zwar schneller, mehr aber auch nicht. Wirkt ein bisschen komisch.
Abschließende Bewertung
Thimbleweed Park ist ein gutes Adventure in klassischem Gewand das weder mit seinen Charakteren noch der Story wirklich überzeugen kann. Das Gameplay ist dafür gelungen und kann je nach Adventure-Erfahrung mit zwei unterschiedlichen Schwierigkeitsgraden bewältigt werden.
Positive Aspekte von Thimbleweed Park
- eine Spielzeit von circa 10 Stunden
- die Sprecher leisten durch die Bank hervorragende Arbeit
- ab einem bestimmten Punkt lässt sich eine Schnellreise-Funktion freischalten
- trotz der klassischen Aufmachung kann sich die grafische Präsentation durchaus sehen lassen
- zwei Schwierigkeitsgrade die sich sowohl an Neulinge als an auch an Adventure-Veteranen richten
Negative Aspekte von Thimbleweed Park
- weder die Charaktere noch die Story können wirklich zu überzeugen
- von den Agenten die den Mordfall untersuchen braucht man eigentlich nur einen
- trotz Schnellreise-Funktion muss man sich ansehen wie die Charaktere an ihren Zielort rennen anstatt direkt dort weitermachen zu können
- die Charaktere helfen einander obwohl sie nur selten miteinander interagieren, was in Extremfällen zu Rätseln führt bei denen eine Partei überhaupt nicht wissen kann dass sie überhaupt etwas tun muss