Trails of Cold Steel IV ist, rein praktisch gesehen, das Finale der Cold Steel Reihe, aber dank der Existenz von Trails into Reverie trotzdem nur der vorletzte Teil der Crossbell-Erebonia Saga die in Trails from Zero begonnen wurde. Von daher ist es mir aktuell unmöglich eine endgültige Meinung über die Reihe zu bilden, aber da mit Cold Steel 3 eine Art Soft Reboot vorgenommen wurde, kann ich zumindest sagen was ich von dieser zweiten Hälfte der Reihe halte und wie diese verglichen mit der ersten abschneidet.
Und ich muss leider sagen: nicht besonders gut! Cold Steel Iv ist in gewisser Weise nämlich nichts weiter als ein Soft Reboot von Cold Steel II, dessen Story allerdings im Schneckentempo vorankriecht und in vielerlei Hinsicht wie nutzloser Filler wirkt der nur dazu dient das Finale hinauszuzögern das ursprünglich in Cold Steel III erzählt werden sollte. Das zeigt sich vor allem bei der Prämisse den Spiels: den Krieg gegen Calvard zu verhindern indem Osbornes Machenschaften gestoppt werden.
Im Gegensatz zum Bürgerkrieg von Cold Steel II, der kurz nach Osbornes „Ermordung“ begonnen hat, geht der Krieg in Cold Steel IV nämlich erst im Finale, nach 88 Stunden, endlich los! Und das obwohl im Intro eine große Militärparade stattfindet die es so wirken lässt als ob der Krieg in den nächsten Stunden oder Tagen bereits entbrennen würde. Stattdessen müssen erst mal alle Männer Erebonias zwangsverpflichtet und trainiert werden, was zwar durchaus Sinn ergibt, aber nicht einen Großteil des Spiel hätte füllen müssen. Ein Zeitsprung hätte es auch getan.
Das kann man sich zwar theoretisch
alles sparen, aber als richtiger Trails Fan wollte ich natürlich so
viel wie möglich mitnehmen. Und das ist hier in gewisser Weise sogar
Pflicht, da Cold Steel IV überraschenderweise zwei Endings besitzt
von denen das „bessere“ mittels Sidequests und optionalen
Bossen am letzten Tag freigeschaltet werden muss. Alternativ muss man nur den Endboss bekämpfen, den letzten Spielstand laden und kann dann direkt die finale Sidequest machen. Dann verpasst man aber nicht nur all die Quests die man eigentlich hätte machen müssen, sondern muss auch den kompletten Endkampf nochmal machen. Wer die Bedingung für das zweite Ende bereits erfüllt hat, der kann stattdessen direkt nach dem Bosskampf weitermachen.
Prinzipiell wäre das also vollkommen in Ordnung da jeder so spielen kann wie er möchte und trotzdem kein Ending verpassen kann. Die "richtige" Herangehensweise ergibt logisch gesehen aber keinerlei Sinn. Wie bereits in Cold Steel 2 hat Class 7 am letzten Tag nämlich nur noch wenige Stunden Zeit bis die finale Mission beginnen soll. Nichtsdestotrotz reisen sie mehrfach durch ganz Erebonia, besuchen neue Dungeons, hauen diverse Bosse aus den Latschen, sprechen eventuell mit 609 NPCs die allesamt was neues zu sagen haben, und währenddessen wird Rean auch noch Meister aller Minispiele und hilft sogar dabei ein Festival zu organisieren dass er anschließen bis zum Ende hin besucht. Und schlussendlich muss man auch noch einen Superboss besiegen um die Bedingung für das zweite Ende zu erfüllen. Macht zeitlich gesehen also absolut keinen Sinn, weswegen zumindest die Sidequests auf die anderen „Touring Western Erebonia“ Kapitel hätten verteilt werden sollen, von denen es eh viel zu viele gibt.
Die Probleme mit dem Pacing des Spiels sind allerdings bereits im ersten Akt ersichtlich. Dieser handelt nämlich davon wie Class 7 versucht Rean zu retten der nach dem Finale von Cold Steel III in Feindeshand gefallen ist. Den Hauptprotagonisten der Reihe für viele Stunden auf die Ersatzbank zu schicken ist von der Idee her zwar durchaus interessant, aber die Exekution ist leider furchtbar langweilig da sie nach dem altbewährten Trails-Schema abläuft: Class 7 muss nochmal alle Gebiete aus dem Vorgänger bereisen um Reans Aufenthaltsort auf magische Art und Weise auszuloten. Und dabei gibt es nicht nur neue Dungeons sondern auch komplett neue Städte zu entdecken, wodurch sich diese Rettungsaktion ewig in die Länge zieht.
Wenn der Krieg nach Reans Rückkehr endlich begonnen hätte, dann hätte ich darüber aber hinwegsehen können. Stattdessen folgt im Anschluss der schwachsinnigste Teil des ganzen Spiels, der vermutlich nur deshalb existiert weil es sowas auch in Cold Steel II gab: Class 7 muss diverse Charaktere befreien … die weder in Gefahr sind, noch schlecht behandelt werden und dazu auch noch von Personen "festgehalten" werden die Class 7 freundlich gesinnt sind. Dementsprechend ist es nicht verwunderlich dass einer der Charaktere sogar ablehnt „gerettet“ zu werden.
Ich fand es außerdem bescheuert wie vor jeder Rettungsaktion so getan wird als ob sie einen ausgeklügelten Plan ausarbeiten würden um ihr Ziel zu erreichen, nur um anschließend zu Fuß durchs Haupttor der nächsten Stadt zu latschen obwohl sie vom Imperium gesucht werden. An einer Stelle dringen sie zwar überraschenderweise mal übers Schienennetz ein, aber komplexer werden diese Pläne auch nicht. Die Entwickler haben außerdem gelernt dass eine Clark Kent Brille keine gute Verkleidung abgibt, nur um die bessere Verkleidung trotzdem für komplett nutzlos zu erklären. Der Charakter der die sie trägt wird nämlich trotzdem von den meisten NPCs erkannt. Und das obwohl mehrere Partymitglieder behaupten dass die Verkleidung ihn wie einen anderen Menschen wirken ließe.
Nach all diesen Rettungsaktionen schien die Story aber endlich Fahrt aufzunehmen, weswegen mir das Finale des zweiten Aktes richtig gut gefallen hat. Einzig den Männer-Frauen Bossrush, wo man seine Gruppen nach Geschlechtern aufteilen muss, fand ich nicht so gelungen. Meine männlichen Charaktere haben die Bosse nämlich innerhalb wenigen Minuten weggehauen, während ich bei den Frauen teilweise 20 Minuten dran saß. Je nachdem wie man die geskillt hat kann das aber natürlich für jeden Spieler anders ablaufen, von daher ist das kein nennenswertes Problem.
Diese dramatische Story über einen Krieg der Millionen Opfer fordern könnte, entwickelt sich kurz darauf aber zu einer absoluten Farce die ich schlichtweg nicht mehr ernst nehmen konnte. Das Warum will ich hier nicht spoilern, aber es wird leider zunehmend offensichtlich dass die Entwickler nicht gewillt waren eine wirklich düstere Kriegsgeschichte zu erzählen, wodurch die Story leider einiges an Potenzial einbüßt. Und das ist vermutlich auch der Grund warum der Krieg erst kurz vor Schluss beginnt. So mussten die Entwickler immerhin keine Zeit darauf verschwenden sich mit den Konsequenzen des Krieges zu befassen und sie konnten außerdem dafür sorgen dass die Verluste auf beiden Seiten so gering wie möglich gehalten werden.
Von daher hoffe ich dass Trails Into Reverie sich tatsächlich auf realistische Art und Weise mit den Folgen des Krieges befasst und dieser Crossbell-Erebonia-Saga einen etwas würdigeren Abschluss verpasst als Cold Steel IV. Noch viel wichtiger ist allerdings dass die Story in sich geschlossen tatsächlich konsistent ist. Cold Steel IV ist das nämlich nicht, da dieser Fluch von Erebonia, der im dritten Teil enthüllt würde, immer genau das zu tun scheint was die Story gerade verlangt. So ist er zum einen eine passive Präsenz die nur die negativen Eigenschaften von Menschen verstärkt, aber teilweise auch eine aktive Macht die in der Lage ist Menschen einer Gehirnwäsche zu unterziehen und Tiere in Monster zu verwandeln. Und wenn der Fluch zu sowas in der Lage ist, warum sollte er die Einwohner Erebonias nur passiv zu Gräueltaten verleiten anstatt direkt die Kontrolle zu übernehmen?
Aber genug von dieser durchwachsenen Story und ab zum Gameplay. Da gibt es zwar nicht so viel neues drüber zu berichten, aber obwohl ich dem Spiel sehr kritisch gegenüberstehe, kann ich zumindest sagen, dass ich das Balancing gelungener fand als in Cold Steel III. Ich habe diesmal zwar direkt auf Schwer angefangen und kann dementsprechend den normalen Schwierigkeitsgrad nicht einschätzen, aber verglichen mit Schwer in Cold Steel III musste ich mich viel länger und häufiger anstrengen um die Kämpfe zu gewinnen. Und das nicht nur innerhalb der Story, sondern auch bei diversen Sidequests.
Erst im dritten Akt war ich wieder so gut ausgerüstet dass ich die meisten Gegner einfach wegnuken konnte. Das dürfte trotz der generften Brave Orders aber sogar noch ein bisschen einfacher sein als im Vorgänger, da es kein Limit für sekundäre Masterquartze mehr gibt. Sprich jeder einzelne Charaktere könnte im zweiten Slot das selbe Master Quartz tragen und somit zum Beispiel mit jedem Angriff doppelt soviel Schaden verursachen. Da ich das langweilig gefunden hätte, habe ich davon aber nur selten Gebrauch gemacht.
Im Gegensatz zu den normalen Kämpfen muss ich aber sagen, dass mir die Divine Knight Kämpfe hier ein bisschen weniger gefallen haben als in Cold Steel III. Nicht weil sie mechanisch schlechter wären, sondern weil es einige Kämpfe gibt die man allein oder maximal zu zweit bestreitet, während die Gegner teilweise zu dritt auftauchen. Und dadurch wurde ich mehrmals an den Rand des Todes getrieben und musste einige Male zu Items greifen um ein Game Over zu verhindern. Fürs Finale war das durchaus passend, aber der Rest hätte ruhig ein bisschen weniger anstrengend sein können.
Ansonsten wäre vielleicht noch erwähnenswert dass Pom! Pom! Party! aus Trails to Azure sich neben Vantage Master zu den Minispielen dazu gesellt. Immer noch ganz unterhaltsam, aber gleichzeitig auch sehr frustrierend, wenn man nicht gerade der absolute Tetris oder Puyo Puyo Meister ist. Im Gegensatz zu Vantage Master, wo ich nur bei einem Gegner wirklich verzweifelt bin, musste ich hier Dutzende Matches wiederholen weil ich mit dem Tempo der NPCs einfach nicht mithalten konnte. Da habe ich mich also mehr auf mein Glück als auf meine Skills verlassen müssen.
Eins der wichtigsten Feature des Spiels ist allerdings die Markierung von Gebieten auf der Weltkarte in denen es tatsächlich etwas neues zu entdecken gibt. Im Gegensatz zu Cold Steel II muss man also nicht jedes einzelne Gebiet nach neuen Events oder Gesprächen absuchen. Ein paar wenige Ausnahmen scheint es aber trotzdem zu geben, da ich bei der Abschlussbewertung der Kapitel ein paar Mal knapp an einem S Rang dran vorbeigeschlittert bin obwohl ich mich nicht daran erinnern konnte irgendwas verpasst oder eine Kampfbedingung vergeigt zu haben. Letztere können auf Schwer aber durchaus problematisch sein, wie bei einem Kampf in dem beide Gegner gleichzeitig unter 50% gehauen werden müssen wenn man die volle Punktzahl sammeln will.
Ein paar Kämpfe zu vergeigen ist allerdings nicht so schlimm, da ich trotzdem genug Punkte für den höchsten Rang sammeln konnte. Wer alle Achievements freischalten will, der sollte aber trotzdem mit Guide spielen. Mir fehlen nämlich sowohl Truhen als auch Sidequests, ich habe nur keine Ahnung wo die noch hätten sein sollen. Aufgrund der Bonding Events ist außerdem mal wieder Save Scumming vonnöten, weswegen ich direkt mit einem New Game+ Save begonnen habe um mir das meiste zu ersparen. Einzig beim finalen Event kommt man nicht drum herum, weil ein Harem Ending gibt es leider nicht!
Im Gegensatz zur Hauptstory haben mir die Charaktere und deren Interaktionen aber wieder richtig gut gefallen, auch wenn manche von denen trotz einer Spielzeit von über 100 Stunden zu kurz kommen. So ein rundes Gesamterlebnis wie bei Avengers: Infinity War wird hier also nicht geboten. Schon weil der Krieg leider ewig auf sich warten lässt und es somit nicht genug Momente gibt in denen all die Charaktere glänzen könnten. Aufgrund der schlecht designten Story leiden manche Charaktere außerdem unter Motivationsproblemen. Den Krieg zu stoppen bevor er aus dem Ruder gerät mag als Grund zwar gut genug sein, aber es gibt einige Momente die viel dramatischer und emotionaler hätten sein können wenn die Story tatsächlich so ernst geschrieben worden wäre wie die Prämisse verlangt hätte.
Ich sollte außerdem erwähnen dass so gut wie jedes Bonding Event mit einem weiblichen Charakter auf eine romantische Beziehung hinausläuft, was ich zumindest in einem Fall komplett unpassend fand. Mit 11 möglichen Partnern ist das ganze also mehr als nur absurd. Nichtsdestotrotz hat mich dieser Harem Aspekt nicht so sehr gestört wie ich nach den Reaktionen aus der Fangemeinde erwartet hätte. Die meisten Bondings Events haben mit den romantischen Gefühlen dieser Charaktere nämlich so gut wie nichts zu tun. Stattdessen werden gut geschriebene Charaktermomente geboten die nur zum Schluss ein bisschen in die Romantik abdriften. Der Ausgang dieser Events mag also extrem vorhersehbar sein, aber der eigentlich Ablauf eben nicht.
Wer mit den Charakteren was anfangen
kann und alle optionalen Gespräche und Events abarbeitet, der sollte
in dieser Hinsicht also gut unterhalten werden. Vor allem im letzten
Interlude vor dem Finale, welcher sich einzig und allein um den
gewaltigen Cast der Reihe dreht und einen Großteil davon an einem
Ort versammelt wo sie ein letztes mal Spaß haben können bevor der
Krieg beginnt. Es ist nur schade dass danach noch mehrere Stunden an
Sidequests folgen, was wie bereits erwähnt keinerlei Sinn ergibt. Einen ewig langen Epilog gibt es dafür überraschenderweise nicht. Hätte ich nach Cold Steel II fast erwartet, aber das Ending war dann doch überraschend kurz.
Abschließende Bewertung
Positive Aspekte von Trails of Cold Steel IV
- Viele unterhaltsame Charakterinteraktionen.
- Das Balancing ist besser gelungen als im Vorgänger.
- Es mag zwar nur wenige packende Momente geben, aber die sind zumindest gut inszeniert.
- Auf der Weltkarte wird stets angezeigt wo es etwas neues zu entdecken gibt, wodurch man sich blindes Rumgesuche ersparen kann.
Negative Aspekte von Trails of Cold Steel IV
- Die ernste Kriegsthematik wird ständig von der schlecht geschriebenen Story untergraben.
- Eins der wichtigsten Elemente der Story, der Fluch von Erebonia, wird extrem inkonsistent behandelt.
- Es gibt zu viel nutzlosen Filler Content, wodurch die Story erst nach circa 90 Stunden endlich in Fahrt kommt.