SYNESTHESIA ist die zweite Visual Novel von Spire Games, die auch The VII Enigma entwickelt haben. Im Gegensatz dazu hat SYNESTHESIA aber einen klassischen Anime Look, der hübscher ist als die hässlichen 3D Grafiken des Vorgängers, aber dadurch auch generischer wirkt. Falls die Entwickler sich erhofft haben damit mehr Spieler anzulocken, dann scheinen sie damit aber Erfolg gehabt zu haben. SYNESTHESIA hat nämlich mehr als doppelt so viele Reviews wie The VII Enigma. Die sind zwar trotzdem nur im zweistelligen Bereich, aber immerhin.
Trotz dieses größeren Erfolgs muss ich allerdings sagen, dass ich die Prämisse diesmal bei weitem nicht so interessant fand wie die Zeitreise Thematik des Vorgängers. Es geht hier nämlich darum dass Menschen plötzlich anfangen Superkräfte zu entwickeln, die im Institut, welches auch als Schule fungiert, erforscht werden. Da diese Fähigkeiten einigermaßen erklärbar sein sollen, handelt es sich hier allerdings nicht um einen Superhelden Story. Stattdessen hat Ziek, der Protagonist, zum Beispiel die "atemberaubende" Fähigkeit Objekte die irgendwie wichtig sind farbig hervorgehoben zu sehen. Ich hatte das spaßeshalber als Hotspot Fähigkeit bezeichnet, was nicht ganz den Fakten entspricht, aber nah genug rankommt.
Seine
Kindheitsfreundin Isla schneidet ein bisschen besser ab da sie in der
Lage ist Ereignisse vorherzusehen … die innerhalb weniger Sekunden
eintreffen und sich meist auf die Ankunft einer bestimmten Person
beschränken. Ist also auch nicht wirklich bemerkenswert. Positiv
hervorzuheben wäre allerdings, dass die Mechaniken dahinter gut
erklärt werden. Aufgrund von Spoilern kann ich dazu aber nichts weiter sagen.
Die Story, die um
diese Thematik gestrickt wurde, lässt lange Zeit aber ebenfalls zu
wünschen übrig, vor allem in Sachen Spannung. Erst gegen Ende gibt es tatsächlich eine Sequenz in der endlich ein bisschen Spannung aufgebaut wird und die dementsprechend wie der Auftakt zum großen Finale wirkt ... aber stattdessen kurz darauf abgewürgt wird ohne irgendeine Art von Höhepunkt zu bieten. Und danach geht das Spiel noch eine Weile weiter. Das was anschließend passiert ist zwar durchaus interessant, kommt aber ein bisschen aus dem Nichts.
Worum es hier geht kann ich allerdings kaum sagen da ein kompletter Durchgang mit allen Routen nur circa 9 Stunden dauern dürfte. Ich kann allerdings sagen dass Ziek recht früh eine mysteriöse Notiz erhält die ihn und seine Freunde davor warnt dem Institut zu vertrauen. Der Rest des Spiels dreht sich also darum herauszufinden was für finstere Machenschaften in diesem Institut vor sich gehen. Und damit meine ich auch wirklich der Rest des Spiels, da sich erst in der finalen Route herauskristallisiert was hier eigentlich Sache ist. Bestimmte Aspekte der Story sind zwar schon vorher offensichtlich, aber wirklich interessant wird es trotzdem erst im Finale.
Von der Idee her erinnert mich das Spiel aber sehr an die Science Adventure Reihe erinnert, insbesondere Steins;Gate, da hier bekannte Konzepte auf interessante Art und Weise mit neuen Ideen kombiniert werden. Im Gegensatz zu Steins;Gate sind die Mechaniken dahinter aber eher vage gehalten und wirken nicht so als ob sie in der realen Welt möglich wären, wodurch ich das Finale etwas unbefriedigend fand. Das Ziel des Spiels ist zwar gut verständlich, aber wie genau das erreicht wird und was das für Folgen hat ist selbst am Ende nicht wirklich klar.
Das Spiel hat außerdem eine winzige Dosis Zero Escape erhalten, da die Story mittels Flowchart erforscht werden muss in dem bestimmte Routen verschlossen sind bis man andere erkundet hat. Das fand ich hier aber nicht so gut gemacht, unter anderem weil es ein Beziehungssystem gibt das von den Entscheidungen abhängt und dadurch die einzelnen Charakter Routen freischaltet. Man muss also gezwungenermaßen alte Szenen nochmal spielen und durchskippen um die Punkte für einen anderen Charakter zu sammeln. Nimmt aufgrund der Kürze des Spiels zwar nicht allzu viel Zeit in Anspruch, ist aber trotzdem etwas nervig.
Das größte Problem dieser Routen ist allerdings, dass die weiblichen Charaktere allesamt tragische Hintergrundstories besitzen die durchaus das Potenzial hätten emotional zu sein. Jede dieser Stories wird allerdings mittels Infodump Monologen erzählt, was bei weitem nicht so effektiv ist als wenn man sie aus Sicht der Mädchen hätte nacherleben können. Das Spiel fängt außerdem bereits mit einer tragischen Hintergrundgeschichte an: die von Ziek. Ist ebenfalls recht kurz und hat lange Zeit absolut keine Relevanz, weswegen sie für mich komplett fehlplatziert wirkt. Die hätte also entweder länger und emotionaler sein müssen, auch wenn sie mit der Hauptstory des Spiels nur wenig zu tun hat, oder sie hätte da eingebaut werden müssen wo sie tatsächlich eine Rolle spielt.
Wo ich gerade bei
den Charakteren bin sollte ich außerdem erwähnen, dass (laut Steam Beschreibung) manche von
ihnen von echten Menschen gesprochen werden, während andere mittels AI
vertont wurden. Seltsame Entscheidung, aber okay, vielleicht hat das
Geld nicht gereicht um alle Charaktere zu vertonten. Und man erhält
zumindest die Option die Sprachausgabe komplett zu deaktivieren. Mich
stört allerdings, dass nirgends erwähnt wird welcher Charakter von
wem oder was vertont wurde. Selbst in den Credits nicht. Da steht zwar wer
für die Artworks verantwortlich war, für die Story, fürs UI,
aber bei den Charakteren stehen nur deren Namen mit dabei, was für mich die
Frage aufwirft ob überhaupt irgendwer von echten Menschen gesprochen
wurde. Informationen über die Synchronsprecher habe ich jedenfalls selbst außerhalb des Spiels nicht finden können.
Bei Jase, dem besten Freund des Protagonisten, zweifle ich aber dass ein echter Mensch involviert war. Der klingt nämlich viel zu monoton, selbst wenn es nicht zur aktuellen Situation passt. Seine Stimmlage schwankt zwar ein bisschen, aber wirklich gut klingt er für mich nie. Die Frauen geben durch die Bank eine bessere Performance ab, auch wenn die Qualität von Islas Tonaufnahmen merkbar schlechter ist als die der anderen. Nicht auf furchtbare Art und Weise, aber man merkt es auf jeden Fall. So gut wie jedes Mal wenn sie Ziek beim Namen nennt, klingt es außerdem absolut identisch (und unnatürlich), was trotzdem die Frage aufwirft ob sie nicht doch von AI vertont wurde. Falls ja, dann klingt sie aber trotzdem besser als Jase.
Ein weiteres Problem mit der Sprachausgabe ist außerdem die generelle Lautstärke. Selbst mit Musik auf 50% und Sprachausgabe auf 100% klangen die Sprecher nämlich viel zu leise. Die Musik noch weiter runterzustellen hätte allerdings der Atmosphäre geschadet da zumindest der Soundtrack gelungen ist. Dieser besteht allerdings auch nur aus ruhigen, emotionalen und ein paar verstörenden Songs, mit Ausnahme des Lieds das während des Openings gespielt wird (und ansonsten nur ein einziges Mal innerhalb der Story zur Anwendung kommt).
Trotz des guten
Soundtracks muss ich den auditorischen Aspekts des Spiels aber
trotzdem bemängeln. Ein paar der Soundeffekte wirken nämlich schlecht gewählt, allen voran die Schulklingel die bizarrerweise wie
ein Küchenwecker klingt. Jedes Mal wenn ein Stuhl zurückgeschoben
wird kommt außerdem der selbe furchtbare Ton zum Einsatz, der zwar besser passt, aber für meine Ohren trotzdem nicht gut
klang. Keinen Ton abzuspielen hätte besser funktioniert da
man die Aktionen der Charaktere in einer Visual Novel eh nicht sehen
kann. Was allerdings ein Grund mehr dafür wäre mit dem
Sounddesign zu glänzen.
Zu guter Letzt sollte ich noch erwähnen, dass SYNESTHESIA tatsächlich sowas wie Gameplay besitzt. Beschränkt sich hauptsächlich darauf sich von einem Ort zum nächsten zu klicken und ab und zu Entscheidungen zu treffen, es gibt allerdings auch drei Rätsel übers komplette Spiel verteilt. Sind nicht sonderlich komplex, man kann aber jedes Mal nach Hinweisen fragen die einen auf die Lösung stoßen sollten. Und wenn man aufgrund des Flowcharts ein Rätsel wiederholen muss, dann kann man dieses direkt überspringen.
Beim ersten
Rätsel, beziehungsweise im Raum in dem man dieses finden muss, hatte
ich allerdings ein gewaltiges Problem: mein Zimmer war so gut
beleuchtet dass ich den dunklen Raum trotz ingame Taschenlampe kaum
sehen konnte. Und dadurch habe ich auch den Hinweis nicht gesehen den
man anklicken muss um weiterzukommen. Wild rumzuklicken hat aber auch
nicht geholfen, da es so wirkte als ob überall exakt das selbe
gesagt wird. Da mir auf dem Flowchart noch eine Mini-Route fehlte, hatte ich anschließend die Vermutung dass ich erst beide Routen sehen muss bevor irgendein Hinweis enthüllt wird der mir helfen würde weiterzukommen, aber dem war leider nicht so. Von daher wäre es ganz sinnvoll wenn man zumindest diese Stelle in einem dunklen Raum spielt.
Und das wars dann
auch. Zusammengefasst muss ich also sagen, dass SYNESTHESIA zwar
durchaus gute Elemente besitzt und in der finalen Route auch in
Sachen Storytelling überzeugen kann, im Großen und Ganzen hat es
mir aber trotzdem nicht so gut gefallen wie The VII Enigma. Das hat
zwar ebenfalls Probleme, vor allem die hässliche Grafik, aber ich
fand die Story von Anfang bis Ende viel interessanter. Unter anderem weil ständig
irgendwas passiert ist und die Charaktere mehrere Orte besuchen.
In SYNESTHESIA hängt Ziek dafür bis zum Ende in der selben
Stadt rum in der es nur sehr selten was neues zu entdecken gibt.
Sobald man die „Superkräfte“ der Charaktere einmal in Aktion
erlebt hat, hat man außerdem bereits alles gesehen wozu sie imstande
sind. Dass der Protagonist eine der langweiligsten Fähigkeiten
überhaupt besitzt, macht das nur noch schlimmer.
Von daher würde ich
sagen, dass man SYNESTHESIA aufgrund der kurzen Spielzeit durchaus eine Chance geben kann. Ich würde aber eher The VII Enigma
empfehlen, wenn man über dessen Grafik hinwegsehen kann. Oder eben Steins;Gate, was gewisse Ähnlichkeiten mit SYNESTHESIA aufweist aber sowohl mehr Spannung als auch Drama und bessere Synchronsprecher zu bieten hat. Ist natürlich kein fairer Vergleich weil SYNESTHESIA offensichtlich ein geringeres Budget zur Verfügung hatte, aber das Storytelling hätte trotzdem besser sein können.
>> Das Spiel kann auf Steam erworben werden <<
Abschließende Bewertung
Positive Aspekte von SYNESTHESIA
- Sieht wesentlich hübscher aus als The VII Enigma.
- Es hat ein paar nette Rätsel bei denen man jederzeit nach Hinweisen fragen kann.
- Guter Soundtrack, auch wenn er hauptsächlich aus ruhigen und emotionalen Songs besteht.
- Die Story ist eigentlich nicht schlecht, insofern man es bis zur finalen Route durchhält. Und das Setting haben die Entwickler auf jeden Fall gut durchdacht.
Negative Aspekte von SYNESTHESIA
- Die Qualität der Sprachausgabe und der Soundeffekte lässt zu wünschen übrig.
- Die Story dümpelt viel zu lange vor sich hin und hat so gut wie keine spannenden Momente zu bieten.
- Die Hintergrundstories der weiblichen Charaktere könnten zwar emotional sein, leiden aber darunter dass sie allesamt mittels Infodump Monologen erzählt werden.