Time Travelers ist eine Visual Novel von Level-5 die ursprünglich für Nintendo 3DS veröffentlicht, aber nie offiziell übersetzt wurde. Mittlerweile gibt es aber eine Fanübersetzung die zwar nicht das ganze Spiel, aber zumindest die komplette Hauptstory übersetzt. Und kurz nachdem ich mit angefangen hatte, musste ich zu meiner Überraschung feststellen, dass es sich hier um ein indirektes Sequel zu 428 Shibuya Scramble handelt. Dessen Story ist für Time Travelers zwar komplett irrelevant, es wird aber mehrmals erwähnt was in dessen Finale vereitelt wurde und neben vielen kleineren Anspielungen gibt es auch eine die sich durch das komplette Spiel zieht obwohl sie außer Fanservice keine tiefere Existenzberechtigung besitzt. Wer den Vorgänger nicht kennt, sollte diesen also idealerweise nachholen um Spoiler zu vermeiden. Wer 428 Shibuya Scramble kennt und Spaß dran hatte, der könnte an dieser Stelle aber vermutlich aufhören zu lesen und sich Time Travelers direkt besorgen.
Vom Feeling und Gameplay her sind sich die Spiele nämlich so gut wie identisch. Der einzig nennenswerte Unterschied ist die Präsentation der Story. Im Gegensatz zu seinem Vorgänger (und dessen Vorgänger Machi) wird sie nämlich nicht mit realen Schauspielern erzählt, sondern mit gut animierten 3D Charakteren die diesmal komplett synchronisiert wurden, wodurch Time Travelers mehr wie ein cineastisches Adventure als eine Visual Novel wirkt. Als Handheld Spiel wurde die Story außerdem so designt dass man sie ganz gut unterwegs oder während kurzen Pausen konsumieren kann. Die meisten Sequenzen dauern also nie länger als ein paar Minuten, wodurch man das komplette Spiel in circa 12 1/2 Stunden abschließen kann. Es ist dementsprechend wesentlich kürzer als 428 Shibuya Scramble, dessen Story so 30 - 40 Stunden dauert. Das ist nicht wirklich ein Problem, ich hätte mir aber trotzdem ein längeres Spiel gewünscht in dem der Konflikt und die Charaktere mehr Zeit haben sich zu entfalten.
Trotz des Titels ist Time Travelers übrigens kein Spiel das ich empfehlen würde wenn mich jemand nach guten Zeitreise Stories fragt. Nicht weil die Story schlecht ist, sondern weil es lange Zeit so wirkt als ob nur einer der Charaktere tatsächlich durch die Zeit reist. Und selbst dieser bewegt sich in der Story die man tatsächlich erlebt genauso linear durch die Zeit wie alle anderen Charaktere. Mit Ausnahme des Intros, in dem ein Zeitreise Experiment ein Loch in den Himmel reißt, scheint die Story außerdem so gut wie nichts mit Zeitreisen zu tun zu haben. Stattdessen geht es hier um eine Reihe von Terroranschlägen die von einer Gruppe verübt werden deren Mitglieder Totenschädel Masken tragen. Einer der Protagonisten, Soma Kamiya, ist trotz seines Jobs bei der Polizei außerdem gezwungen mit den Terroristen zusammenzuarbeiten da sie seine Familie entführt haben.
Genau wie sein Vorgänger ist Time Travelers allerdings nicht nur ein ernster Thriller, sondern auch eine absurde Komödie. Das zeigt sich unter anderem in der Route von Ressentiment, einem dicken, arbeitslosen Kerls der sich selbst als realer Superheld bezeichnet, obwohl er außer einem Kostüm nichts zu bieten hat was einen wahren Superhelden ausmacht. Sein bester Freund versucht ihm zwar Kampfsport beizutragen, die Umsetzung lässt allerdings zu wünschen übrig, da Ressentiment aufgrund seines Gewichts meistens auf die Fresse fliegt. Die anderen Charaktere bleiben von Momenten absurder Comedy aber keineswegs verschont. Vor allem wenn man sich, egal ob absichtlich oder ausversehen, für eine Option entscheidet die eines von vielen absurden Endings freischaltet. Wie das wo die Reporterin, Hina Fushimi, zusammen mit ihrem Kameramann plötzlich einen Töpferkurs besucht anstatt die Terroristen Story weiter zu verfolgen.
Diese Stimmungsschwankungen sind also sehr seltsam und unlogisch, aber das Spiel funktioniert trotzdem irgendwie. Es hat außerdem einen richtig guten Soundtrack der vor allem die spannenderen Momente der Story gut untermalt. Und davon gibt es im Laufe des Spiels immer mehr. Selbst in der Route von Ressentiment, die wesentlich ernstere Momente besitzt hat als ich ursprünglich erwartet hatte. Sie ist für mich aber trotzdem die problematischste Route des Spiels, weil kurz vor dem Finale etwas passiert das überhaupt keinen Sinn ergibt und die Story ein klein wenig ruiniert. Dabei wäre das aufgrund der Natur dieser Story überhaupt nicht nötig gewesen.
Für ein Spiel über Terroranschläge lässt die Darstellung von Gewalt außerdem zu wünschen übrig, wodurch selbst Charaktere die erschossen wurden so aussehen als ob sie friedlich auf dem Boden liegen würden ohne einen einzigen Tropfen Blut vergossen zu haben. Es gibt zwar Szenen in denen Blut tatsächlich zu sehen ist, es hätte aber eindeutig noch in vielen anderen Szenen zu sehen sein müssen. Kann natürlich sein dass die Entwickler hier auf Nummer Sicher gehen wollten weil das Spiel für ein Nintendo System veröffentlicht werden sollte.
Mehr kann ich zur Story aufgrund ihrer Kürze eigentlich nicht sagen, aber ich will noch positiv hervorheben dass sowohl die Protagonisten, als auch die Antagonisten im Laufe des Spiels richtig gut entwickelt werden. Und das gilt selbst für einen Charakter von dem ich nicht erwartet hatte dass er überhaupt irgendeine nennenswerte Hintergrundstory besitzt. Was man über den erfährt ist zwar alles andere als komplex, aber für so ein kurzes Spiel erfüllt es durchaus seinen Zweck. Es gibt an sich nur einen Charakter dessen Story zu wünschen übrig lässt, weil erst kurz vor Schluss enthüllt wird auf wessen Seite dieser steht. Und danach ist schlichtweg keine Zeit mehr übrig um die Motivation dieses Charakters ausreichend zu erklären.
Wird aber Zeit mal auf das Gameplay einzugehen, welches von der Struktur beinahe identisch mit dem seines Vorgänger ist. Die Story wurde nämlich auch diesmal in fünf Routen aufgeteilt, welche zeitgleich stattfinden und sich über mehrere Stunden eines einzelnen Tages erstrecken. All diese Routen werden mit einem Flowcharts dargestellt, durch dem man jederzeit zwischen den Routen und deren Entscheidungen hin- und herspringen kann. Und das muss man im Laufe des Spiels immer wieder tun, da der Ablauf der Story nicht nur von davon abhängt welche Entscheidungen man innerhalb der aktuellen Route trifft, sondern auch von Entscheidungen in anderen Routen beeinflusst werden.
Ein gutes Beispiel vom Anfang des Spiels ist eine Sequenz in der Kamiya von einem Auto angefahren wird in dem Hina sitzt und dadurch nicht in der Lage ist seine Familie zu retten. Daraufhin muss man also zu Hinas Route wechseln und ihren Kameramann warnen bevor er in Kamiya reinfährt. Das hindert einen allerdings nicht daran genau die selbe Entscheidung zu treffen die bereits beim ersten Mal zu einem schlechte Ende bzw. einem Time Stop geführt hat, weswegen ich das bei jeder einzelnen Entscheidung getan habe um soviel wie möglich von der Story zu sehen zu bekommen.
Viele dieser Time Stops ist man außerdem gezwungen zu erleben. Erst danach kann man die Route verlassen und schauen welche Route als nächstes gespielt werden muss um dieses Ereignis zu verhindern. Bei jedem Time Stop lassen sich außerdem optionale Hinweise einblenden die einem helfen sollen die richtige Entscheidung zu finden, aber wirklich nötig sind die nie, da es in den meisten Fällen extrem offensichtlich ist was getan werden muss um den Time Stop zu vereiteln. Ein Großteil des Spiels ist nämlich so designt dass man ein paar Routen hintereinander spielt und dann von einem Time Stop in den Flowchart geworfen wird. Und daraufhin muss man nur die Route finden die man in den vorherigen Sequenzen nicht gespielt hat. Erst im Finale hat man eine etwas freiere Wahl in welcher Reihenfolge man die einzelnen Routen spielt. Aber selbst da hatte ich so gut wie keine Probleme damit die richtigen Entscheidungen zu treffen, wodurch das Spiel wesentlich einfacher sein dürfte als 428 Shibuya Scramble.
Während der Actionszenen von Time Travelers gibt es außerdem immer wieder QTEs die ihrem Namen allerdings nicht gerecht werden, da sie vom Timing her so gnädig sind dass man sie schon absichtlich vergeigen muss. Und das auch tun sollte wenn man jedes einzelne Ende sehen will. Wie im Vorgänger werden außerdem immer wieder Wörter im Text hervorgehoben über die man durch drücken von Y mehr erfahren kann. Innerhalb von Dialogen kann das allerdings ein bisschen nervig sein wenn man nicht schnell genug reagiert. Mittels Backlog ist es zwar möglich zurückscrollen, der wird allerdings nicht in Echtzeit geupdated, wodurch es passieren kann dass man erst einige Gespräche hinter sich bringen muss bevor der verpasste Begriff im Backlog erscheint. Im Gegensatz zu 428 Shibuya Scramble, wo diese Tipps manchmal dazu dienten um zwischen den Charaktere zu wechseln, sind sie diesmal allerdings komplett optional. Nach Abschluss der Story soll es zwar neue Backstory Tipps über die komplett Story verstreut geben, allein dafür würde ich Time Travelers aber nicht nochmal spielen wollen.
Man kann sich außerdem jederzeit eine Zusammenfassung der Story anzeigen lassen, was eventuell ganz praktisch wäre wenn man das Spiel längere Zeit nicht angefasst hat. Aufgrund der Kürze der Story finde ich dieses Feature ansonsten aber unnötig. Und falls jemand ein so kurzes Spiel tatsächlich pausieren sollte, dann kann ich nur von ausgehen dass derjenige es nicht interessant genug fand um es tatsächlich beenden zu wollen, oder dass er mit dem Humor nichts anfangen konnte. Für mich hat es sich aber durchaus gelohnt. Als Zeitreise Story lässt es zwar zu wünschen übrig, gut unterhalten wird man hier aber auf jeden Fall, vor allem in den späteren, spannenderen Stunden des Spiels.
>> Der Englisch Patch ist auf Github erhältlich <<
Abschließende Bewertung
Positive Aspekte von Time Travelers
- Ein richtig guter Soundtrack.
- Sowohl die Protagonisten, als auch die meisten Antagonisten werden sehr gut entwickelt.
- Obwohl das Spiel sowohl ein ernster Thriller, als auch eine absurde Komödie ist, funktioniert die Story trotzdem irgendwie und ist richtig gut inszeniert.
Negative Aspekte von Time Travelers
- Die Grafik ist für ein 3DS Spiel zwar ganz gut, es gibt aber ein paar Sequenzen in denen die Charaktermodelle einen seltsamen Grünstich haben.
- Ressentiments Story ist zwar besser als erwartet, hat gegen Ende aber ein paar Probleme die den Gesamteindruck ruinieren.
- Im Gegensatz zu seinem Vorgänger ist das Spiel lächerlich einfach. Selbst die QTEs sollten für niemanden eine Herausforderung darstellen.
